Ursprünglich wollte ich hier darüber schreiben, dass wir, solange wir in der Kategorie des „Habens“ über unsere Beziehungen sprechen anstatt in den Kategorien des Tuns oder des Seins, ein Problem haben —> uns ein Problem machen.

Also darüber, dass wir gar keine Beziehungen haben können. Weil wir keine anderen Menschen besitzen können. Weil das Wort „haben“, wenn wir es auf unsere Beziehungen anwenden, einen Übergriff kennzeichnet, ein Überschwappen unserer Fixierung auf Eigentum und Besitz hinüber auf das, was den Kern unserer Menschlichkeit ausmacht. Dass wir dann zu fassen und zu greifen versuchen, was für uns wichtiger ist als alles andere, das wir auf diesem schönen Planeten erfahren und gestalten: Zwischenmenschliche Beziehungen eben. Und ich wollte darüber schreiben, dass Menschen, die in ihren frühen Jahren emotional sichere und emotional lebendige Beziehungen erfahren haben, sich als erwachsene Menschen leichter auf Beziehungen einlassen können. Und dass sich Menschen, die dieses „Glück“ hatten, auch leicht damit tun, „frei in Beziehung“ zu sein. Dass also das, was uns anderen als Quadratur des Kreises erscheint: Bezogen zu sein und sich dabei nicht eingeengt zu fühlen, sondern vielmehr bereichert und belebt, durchaus möglich und für einige Menschen sogar ganz natürlich ist.

Und dass darum viel hängt an jenem Ausdruck: „eine Partnerin/ einen Mann/ eine Freundin/ einen Nachbarn, eine Kollegin haben„. Weit mehr als uns bewusst ist, wenn wir diese verbreitete Formulierung verwenden.


 

Doch dann nahmen sich meine Gedanken die Freiheit, sich aus dem Korsett zu lösen, das ich mir gestrickt hatte, und mir kamen Zweifel:

Sagen wir nicht auch: „Ich habe ein Kind“ und „Ich habe einen Vater/eine Mutter“? Ist das Wort „haben“ in diesen Sätzen nicht geradezu ein emotionaler Ausdruck jener sicheren Bindung, die mir so wichtig und folgenreich scheint?

Und sagen wir nicht auch: „Ich habe zwei Beine/ ein Herz/ zwei Ohren/ eine Nase, etc.“? – Auch hier scheint „haben“ kein Besitzverhältnis anzuzeigen, sondern eine feste Zugehörigkeit: Etwas gehört zu uns dazu, kann nur schwer von uns getrennt werden. Wir können ohne das eine oder andere davon zwar leben, aber wir bezeichnen hier „Bestandteile“ von uns.

Wenn es stimmt, dass der frühe Sprachgebrauch, den wir erfahren, unsere weitere Welterfahrung formt („die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“), dann wäre vor aller Kritik am Ausdruck „ich habe eine Beziehung“ zu fragen, in welchen Zusammenhängen wir das Wort „haben“ kennenlernen. Am Anfang, als kleine Erdenbürger, Mitmenschen und Mitglieder der großen menschlichen Gemeinschaft, die wir zunächst im Kleinen erleben und erfahren.

Sollte es so sein, dass Sätze wie „ich habe einen Mund“ oder „ich habe eine Mutter“ unser inneres Konzept des Wortes „haben“ formen, dann wäre deutlich, warum uns materielle Verluste auf beinahe absurde Weise treffen und verletzen können:

Das Wort „haben“ wäre dann für die tieferen Schichten, die unsere Welterfahrung formen, eine Übertragung unserer Beziehung zu „lebendigen Dingen“, ohne die wir nur schwer leben können, auf alle möglichen Dinge, von denen wir uns ohne diese Übertragung leichter trennen könnten.

Es ist bekannt, dass es in uns deutlich weniger auslöst, etwas bekommen zu können, als etwas zu verlieren, dass wir bereits haben. – Möglicherweise ist jene Übertragung der Grund für die übergroße Bedeutung, die Verluste vieler Dinge für uns haben, von denen man sonst meinen könnte, das könne uns doch leichthin egal sein:

Meine Spielzeuge, meine Kleider, mein Auto, mein Job, mein Haus, mein…

…all dies erleben Teile unseres Gehirns emöglicherweise nicht ganz unähnlich wie den Verlust unserer ersten „Bezugspersonen“ oder von Körperteilen.


 

Hm. Ganz schön viel Last, die ich da einem kleinen Wörtchen aufbürde…

Wir wissen, dass wir deutlich weniger rational erleben, entscheiden und handeln, als wir es uns selbst und anderen oft im Nachhinein erzählen.

Für jene Frage: „Beziehungen haben“ oder „Beziehungen machen“ oder „Beziehungen leben“ oder „In Beziehung sein“ könnte das alles jedenfalls heißen: Unsere Sprache ist möglicherweise deutlich klüger als meine Kritik an ihr.