In unserem Denken lassen sich – u.a. – zwei Zustände unterscheiden: Ein Modus, in dem wir nach Gebrauchsanweisungen und Rezepten für’s Leben suchen. Also „sichere Nummern“, von denen wir uns versprechen, dass sie uns den Aufwand verringern, mit dem wir unsere Ziele erreichen und dass wir mit ihnen vor allem ganz, ganz sicher ans Ziel kommen.

Und einen anderen Modus, in dem wir Dinge ausprobieren und entdecken, die für uns persönlich neu sind (wenn sie es auch vielleicht für niemanden anderen sind). In diesem Modus finden wir nichts lästiger und uninteressanter als Rezepte und kluge Ratschläge, cause I wanna make it on my own!

Wir streben in diesem anderen Modus nicht nach Reduktion unseres Aufwands, wir streben auch nicht nach sicheren Nummern. Vielleicht durchaus nach „Zielerreichung“, wobei das Ziel dann als etwas deutlich Flexibleres und Komplexeres verstanden werden muss als bei unseren Zielen im Malen-nach-Zahlen-Modus. Zumindest ist die nackte, pure Lust am Selber-Entdecken dann als ganz wesentlicher Bestandteil des Ziels zu verstehen.

Für uns ist es nicht dasselbe, ob wir etwas tun, worauf uns jemand hingewiesen oder wozu uns jemand geraten hat, oder ob wir etwas tun, was wir selbst für uns herausgefunden haben. „Auf eigene Gefahr“. Zu eigenen Kosten, Preisen und Risiken. Auch Übungen mit „definierten Lernzielen“ sind für uns etwas völlig anderes als Übungen, aus denen wir ziehen, was wir eben daraus ziehen. Oft, indem wir ganz eigene, neue Lösungswege erfinden. Das andere empfinden wir dann als „Ratte-im-Labor-Situation“. Die Forscher, die uns da so abrichten, mögen es außerordentlich gut meinen mit uns als ihren lebenden Trainingsobjekten. Das ändert nichts daran, dass wir deutlich lieber die freie Spielwiese hätten.

Das soll nicht heißen, dass das Lernen aus den Fehlern anderer irgendwie ehrenrührig oder kontraproduktiv wäre.

Es bedeutet nur, dass wir alle mindestens nebenberufliche Autodidakten sind. Und dass auch diese unsere renitente Präferenz für’s Selbererfahren, neben unserer Fähigkeit, Wissen weiterzugeben und zu teilen, eine große Stärke unserer geschätzten Spezies ist: Jede Generation, ja, jeder Einzelne von uns, eignet sich „das Leben“ neu an. Und das gibt unserer individuellen Sterblichkeit nicht ganz wenig Sinn. – Es sei denn, man wollte, dass das Leben irgendwann an „Erfahrung“ erstickte. Die menschliche Gesellschaft, als eine Größe, die uns hochwahrscheinlich überlebt, bekommt so die Luft zum atmen, die sie braucht. Damit sie sich nicht in unseren zufälligen, individuellen Gewohnheiten einhaust und aufhört, von uns verändert zu werden.

Wir Menschen haben also mehr als nur ein Interesse, unsere eigenen „Fehler“ machen zu dürfen und nicht jederzeit davor bewahrt zu werden. Und wenn es doch mal jemand versucht, uns den todlangweiligen goldenen Käfig des Besserwissens und Alles-schon-erfunden-s zu bauen: Dann sprengen wir zuverlässig den Käfig, schmelzen das Gold ein und hängen es dem Käfigbauer um den Hals, der uns da in seinem Wohlmeinen zu ertränken sucht.

Lehrer führen demzufolge ein ziemlich gefährliches Leben. Und wir könnten überhaupt auch einmal darüber nachdenken, ob „Schulen“ heutzutage nicht vielleicht ganz generell völlig verzichtbar sind…

…Um nicht zu sagen: Scheiß gefährlicher Blödsinn.

Dass wir in Schulen vor allem unser soziales Miteinander erfahren und erfinden, dass wir in Schulen Beziehungen zu Menschen knüpfen, die wir sonst niemals kennen lernen würden, fernab von unserem Elternhaus, in das wir zufällig hineingeboren wurden – das alles steht auf einem ganz anderen Blatt. Genauer: Auf keinem Blatt.

Denn dieser eigentliche Zweck von Schulen steht ja derzeit auch gar nicht „auf dem Lehrplan“. Zum Glück! Denn wenn etwas erst einmal Aufnahme in einen der unzähligen Lehrpläne unserer kleinen, großen Welt gefunden hat, dann ist dieses Etwas so tot wie ein Frosch, der schleichend in die Hitzestarre und den Hitzetod hineingekocht wurde. – Wobei… Moooooment! Frösche sind ja gar nicht so blöd! Nur wir Menschen lassen uns so etwas einfallen.