„Sich um die Abgehängten kümmern“ ist eine Formulierung aus der alten, vordemokratischen Welt.

Demokratie bedeutet nicht, dass wir Menschen wählen, die sich dann um uns kümmern sollen, denn das hat mit Autonomie und Selbstbeherrschung nichts zu tun. Und beide Begriffe sind im Politischen Synonyme für „Demokratie“. Eher mit einem nur sehr unzureichend verbrämten Eltern-Kind-Verhältnis. Mit politischer Mündigkeit hat jenes „Es soll sich aber auch um uns ganz besonders viel gekümmert werden!“ nichts zu tun.

Demokratie und bürgerliche Mündigkeit haben vielmehr damit zu tun, dass wir uns alle in die Lage versetzen, uns selbst um unsere politischen Angelegenheiten kümmern zu können. – Durch dafür geeignete politische Institutionen und Verfahren.

DANN ist niemand mehr „abgehängt“. Und DANN braucht es auch keine professionellen „Kümmerer“ mehr, die von diesem Anspruch erkennbar und dauerhaft überfordert sind. Das ist nicht der Fehler jener „Kümmerer“. Es liegt nicht etwa an ihrem fehlenden Wohlwollen, ihrem fehlenden Engagement. Das wäre ja dann einfach zu lösen: Man „wählt“ einfach die richtigen Kümmerer (die wohlwollenderen, engagierteren) – und schwups!, schon wird alles gut. – Diese politische Naivität hat heutzutage niemand mehr. Dafür haben wir alle einfach schon viel zu viel Erfahrung mit solcher „Politik“ machen dürfen.

Das Problem, vor dem wir stehen, ist vielmehr „systemisch“, oder sagen wir es technischer: Institutionell. Politik funktioniert einfach nicht auf diese Weise. Das Eltern-Kind-Schema hat in der Politik nichts verloren. Und Institutionen, die dieses Eltern-Kind-Schema in die Politik einbringen, entpolitisieren Politik im Grunde. Sie sind „sachfremd“. Politik ist gegen das Eltern-Kind-Schema allergisch. Politik macht die Bürger groß, nicht klein. Politik sorgt dafür, dass sich Bürger um sich selber kümmern können.

Da der Kern von „Politik“ eine Ermächtigung der Bürger, ihre Versetzung in eine souveräne Lage gegenüber sich selbst, gegenüber einander und gegenüber ihren eigenen Institutionen ist, steigert sie das Selbstwertempfinden aller ganz beträchtlich. – So weit, dass die Bürger dann eben nicht mehr nach „Kümmerern“ rufen. Weil sie dann bereits gewohnheitsmäßig selber machen, was sie nur selber machen können.

„Citizens are doin‘ it for themselves.
Standin‘ on their own two feet.
And ringin‘ on their own bells…“