Wenn es wahr ist, dass Demokratie vor allem einer gemeinsamen Fahrt in Offene gleich kommt, einem Abenteuer, bei dem wir uns in ganz ungeheuerlichem Ausmaß auf uns und unsere Institutionen und unsere Fähigkeit zur Reform unserer Institutionen verlassen, dann kann einen das sehr zahme, ängstliche Verständnis von „Demokratie“, das derzeit grassiert, durchaus misstrauisch machen.

Demokratie scheint vielmehr etwas überaus Mutiges und Beherztes zu sein, etwas, das nichts gemeinsam hat mit vorsichtigem Taktieren und ewigem Hin- und Her, Vor- und Zurück, keine Ähnlickeit mit der Unbeweglichkeit und Schockstarre, in der ein Gesellschaftsschiff im immer gleichen Hafen vor sich hindümpelt.

Demokratie scheint viel mehr mit ständigem Ankerlichten zu tun zu haben als mit beständigem Tauziehen. Denn beim Tauziehen gibt es kein Vorankommen. Jede gesellschaftliche Teil-Kraft erzeugt eine gesellschaftliche Gegen-Teil-Kraft. Beständiges Gegeneinander bringt uns gemeinsam nirgendwohin.

Die Demokratie scheint sich vielmehr aus der Einsicht zu speisen, dass alles verliert, wer alles festzuhalten versucht. Und dass es so etwas wie gesellschaftliches, gemeinsames Loslassen gibt: Dass wir gemeinsam Neues wagen, weil wir miteinander hinreichend gute Erfahrungen gemacht haben. Erfahrungen, die gut genug waren, um gemeinsam ins offene Meer der Zukunft zu fahren.

In der Gewissheit, dass, wo auch immer wir gemeinsam landen werden, es ein anderer Hafen sein wird als der, von dem wir abfahren.

Und im Wissen darum, dass die gemeinsame Fahrt niemals zu Ende geht. Dass wir immer und immer wieder gemeinsam aufbrechen werden.

Aber eben vor allem: gemeinsam. In der Demokratie finden wir Halt ineinander, weil wir uns regelmäßig freundschaftlich begegnen, weil wir uns immer wieder neu kennen lernen, weil wir wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können.

Die ursprüngliche Gewissheit der Demokratie scheint also zu sein: Dass wir einander haben. Unbedingt, unverbrüchlich, undividierbar. Und dass wir in einer solchen Gemeinschaft alles Mögliche wagen können.